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Errinerungen

 

Heinrich Rommel, Jahrgang 1904, Ehrenvorsitzender des TB, Goldene Vereinsnadel des TB, Ehrenbrief des TB

Ich freue mich, dass ich das 75-jährige Jubiläum des Turnerbundes mitfeiern kann. Mit großer Zufriedenheit stelle ich fest, dass der Verein wirtschaftlich gesund ist und angesichts der Mitgliederzahl und der Sportstätten um seine Zukunft nicht zu bangen braucht.

Das war nicht immer so. Während meiner 69-jährigen Mitgliedschaft habe ich wechselvolle Zeiten erlebt, darunter das Verbot des Vereins, die Beschlagnahme der Turnhalle und des Vereinsvermögens. Trotz dieser bitteren Zeiten haben die TB’ler zusammengehalten und nie aufgehört sich als Verein zu fühlen, um dann mit Zuversicht und neuer Kraft den Verein nach dem Kriege wieder zu alter Größe und Bedeutung zurückzuführen.

Es gab aber auch Zeiten fröhlicher und heiterer Art, in denen sportliche Erfolge, Feste und Einweihungen gefeiert werden konnten.

 

Nachfolgend schildern verdiente TB-Mitglieder ihre persönlichen Erinnerungen und Eindrücke aus einer wechselvollen Zeit, die vor allem die jüngere Generation nicht erlebt hat.

 

Hilde Schrumpf, Jahrgang 1921, Goldene Vereinsnadel des TB

Bereits seit 1913 gab es beim Turnerbund eine Mädchen- und Frauenturnriege, bei welcher schon meine Mutter und meine Tante aktiv waren. In diese Riege kam dann ich bereits als Kind durch meine Eltern, die ja aktive Mitglieder im Verein waren. Wir betrieben dort vor allem Barren- und Bodenturnen bei Ernst Flitsch, aber auch Gymnastik bei Otto Häderle. Es wurde in der Auhalle geturnt, die damals aber noch keine Umkleide- und Duschräume hatte und die auch im Winter in der Regel nicht geheizt wurde. Im Sommer machten wir noch zusätzlich Ballweitwurf, Weitsprung und 75-m-Lauf auf dem Sportplatz. Die Höhepunkte jedes Jahres waren dann die Turnfeste. Besonders gut kann ich mich an das Kreisturnfest 1932 in Ulm erinnern. Bei diesem Feste waren alle auswärtigen Sportler bei Mitgliedern des gastgebenden Vereins untergebracht und wurden dort auch verpflegt. Ich war bei einem jungen Ehepaar zu Gast und zum Mittagessen zwischen den Wettkämpfen war ich bei den Eltern der Frau eingeladen. Als alle am Tisch saßen und mit dem Essen begonnen hatten, sprang plötzlich die Katze auf den Tisch und fraß aus der gleichen Schüssel wie wir. Ich war natürlich verwundert, aber im Hause schien dies so üblich zu sein, denn es schien niemand zu stören und die Katze konnte dann das Essen mit uns beenden.

Am sonstigen Vereinsleben nahmen die Frauen weniger teil, auch bei Versammlungen sah man sie kaum, denn das war trotz Gleichberechtigung eine Sache der Männer. Nur bei Festen und Wettkämpfen saß man natürlich zusammen in der Auhalle.

Vor einer Weihnachtsfeier haben mein Vater, Karl Hommel und einige andere Männer einmal von Freitagabend bis Samstagnachmittag gebraucht, um die Tombola aufzubauen und Frau Hommel musste sogar mitten in der Nacht noch aufstehen und in der „Krone“ Würste holen, damit die Männer das Fässle Most nicht so „trocken“ hinunterspülen mussten.

 

Otto Kettinger, Jahrgang 1908, Goldene Vereinsnadel des TB, Ehrenbrief des TB

Während des gesamten Frühjahrs 1933 lag eine große politische Spannung im Land und eine Ungewissheit für die Zukunft unseres Vereins in der Luft. Nach und nach wurden die Organisationen der Arbeiterschaft aufgelöst oder „gleichgeschaltet“. Nachdem die Arbeitersportvereine in Kuchen, Jebenhausen und Heiningen verboten wurden, hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass nun der Turnerbund an der Reihe sei.

An einem Samstagabend hatte mein Bruder Eugen Wirtschaftsdienst in der Auhalle. Plötzlich stürmte uniformierte Polizei herein, schickte die anwesenden Besucher heim und nahm meinen Bruder und Reinhold Deiss fest. Beide wurden nach Göppingen mitgenommen und eingesperrt. Die Halle wurde nach Geld, politischen Schriften und sonstigen Unterlagen durchsucht.

Die Nachricht von dieser Aktion breitete sich im Dorf wie ein Lauffeuer aus. Als damaliger Wirtschaftsführer schnappte ich mir sofort die Wirtschaftskasse, die bei mir zu Hause war. Diese brachte ich zu Alfred Rommel, der in Holzheim wohnte und der Chef der Göppinger Niederlassung unserer Vertragsbrauerei war. Der Verein hatte ja noch Schulden, die vom Bau der erst drei Jahre alten Auhalle stammten. Diese Schulden wollte ich wenigstens teilweise mit diesem Geld begleichen. Außerdem wollte ich natürlich unser Vereinsgeld vor den Nazis in Sicherheit bringen.

Am folgenden Morgen traf ich mich dann mit Ernst Flitsch und Otto Moser auf dem Sportplatz in Holzheim. In die Auhalle durften wir nicht mehr, nachdem diese beschlagnahmt und verschlossen war. Wir wollten die Vorkommnisse der vergangenen Nacht besprechen, aber dazu kam es nicht mehr. Es erschien wieder die Polizei und wir wurden festgenommen. Der vorgeschobene Grund dafür war, dass in der Auhalle ein politischer Witz erzählt worden sei; dies habe ein Passant gehört und sofort der „Obrigkeit“ berichtet. Wir wurden mit dem Bus nach Göppingen gebracht, nachdem wir uns weigerten den ganzen Weg zu Fuß zu laufen.

Unterbrochen von ständigen Verhören waren wir dort bis Montagabend inhaftiert.

In der kommenden Woche wurde der Verein dann zwangsaufgelöst und das gesamte Vereinsvermögen beschlagnahmt. Insbesondere die unter schweren Opfern aller erbaute Turnhalle nahm die NSDAP, die darin ein Parteilokal errichtete, in Besitz. Auch in den folgenden Wochen und Monaten wurden durch die SA, bei der sich auch einige aus Holzheim befanden, bei Mitgliedern des TB Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die Betroffenen wurden nachts aus dem Bett geholt und mussten barfuß vor der Türe warten. Gesucht wurde insbesondere nach dem Vervielfältigungsapparat und der Vereinskasse. In dieser Zeit kamen Otto Moser und Fritz Hohlbauch für einige Zeit ins KZ Heuberg.

In dieser schweren Zeit der NS-Herrschaft bewiesen die Mitglieder des Vereins außergewöhnlichen Zusammenhalt. Nur wenige verließen uns. Künftig traf sich die Vereinsfamilie oft privat. An den befohlenen Parteifeiertagen wurden mit dem LKW von Karl Mühleis Ausflüge gemacht, um nicht an den Aufmärschen der Partei teilnehmen zu müssen. Den Machthabern war das natürlich ein Dorn im Auge, aber trotz versuchter Schikane konnten sie nichts machen, da ja alles „ganz privat“ war.

 

Karl Claussen., Jahrgang 1908, Goldene Vereinsnadel des TB, Ehrenbrief des TB

Nach der Kapitulation 1945 regte sich bald unter den ehemaligen Mitgliedern des Turnerbundes der Gedanke, den Verein neu ins Leben zu rufen. Der Mitgliederstamm war noch vorhanden und hatte über die Nazizeit sich immer wieder privat getroffen. Als 1945 die Amerikaner auch den Turnverein auflösten, bestand in Holzheim kein Verein mehr.

Unser ehemaliger Vorstand Gottlieb Jennewein nahm mit dem Sportbeauftragten des Landes Württemberg, Paul Keller, in Stuttgart Verbindung auf. Dieser war der letzte Vorsitzende des ATSB 1933. Er nahm jedoch eine abwartende Haltung ein.

Im Übrigen war zu dieser Zeit wieder einmal eine gemeinsame Neugründung von TV und TB im Gespräch. Die Gegensätze waren zu dieser Zeit nicht überbrückbar.

Eines Tages schellte der Ortsbüttel dann am Nachmittag aus, dass abends eine Versammlung zur Wiedergründung des TV in Holzheim stattfinden sollte. Als einziger TB’ler ging ich dorthin. Überraschenderweise wurde ich im Verlauf der Versammlung als 1. Vorsitzender vorgeschlagen, konnte aber dieses Amt nicht annehmen, da wir ja den TB neu gründen wollten. Dies ging in der Folgezeit recht schnell. Gottlieb Jennewein und Heinrich Rommel erhielten 1946 von der Militärbehörde in Göppingen die Lizenz, da alle alten Funktionäre politisch unbelastet waren. Die Auhalle wurde wieder freigegeben und manches Sportgerät, das während des Verbots in privaten Verstecken die zwölf Jahre überdauerte, wurde wieder herbeigeschafft, so dass ein Sportbetrieb möglich war.

Unsere 1926 angeschaffte Vereinsfahne war während der Nazizeit verschwunden. Nach Kriegsende kam plötzlich ein Brief aus Österreich von einem Lumpensammler. Diesem war die Fahne in seiner Ware aufgefallen. Er brachte es nicht übers Herz diese zu vernichten. Er schickte uns die Fahne wieder zu und beendete damit die Odyssee unseres sichtbaren Vereinszeichens.

 

Quelle: 75 Jahre Turnerbund Holzheim e.V. 1913-1988